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Sinn und Zweck von Formvorschriften
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Aufgabe:
Erläutern Sie das Verhältnis von Formvorschriften zu dem Grundsatz von Treu und Glauben.
Lösung:
1. Grundsatz:
Gesetzliche Formvorschriften dürfen im Interesse der Rechtssicherheit nicht aus bloßen Billigkeitserwägungen außer Acht gelassen werden.
2. Ausnahmen:
Ausnahmen sind nur zulässig, wenn es nach den Beziehungen der Parteien und den gesamten Umständen mit Treu und Glauben unvereinbar wäre, das Rechtsgeschäft am Formmangel scheitern zu lassen. Das Ergebnis muss für die betroffene Partei nicht bloß hart, sondern schlechthin untragbar sein.
3. Anwendungsbereich
Dass der Formmangel ausnahmsweise gem. § 242 BGB unschädlich sein kann, wurde von der Rechtsprechung zu § 311b Abs. 1 BGB (§ 313 BGB a. R.) herausgebildet. Er gilt aber auch für andere Formvorschriften, beispielsweise für §§ 566, 766 BGB, § 15 IV GmbHG, tarifvertragliche Formvorschriften und für die Form des Prozessvergleichs.
4. Voraussetzungen und Grenzen:
· Vorliegen eines im übrigen gültigen Rechtsgeschäfts
· Es muss, abgesehen vom Formmangel, ein gültiges Rechtsgeschäft vorliegen.
· Schutzwürdiges Vertrauen
· Die Partei, die am Rechtsgeschäft festhalten will, muss auf die Formgültigkeit vertraut haben. § 242 BGB ist daher unanwendbar, wenn beide Parteien den Formmangel kannten.
· Erforderlichkeit:
Die Berücksichtigung des Formmangels muss zu einem untragbaren Ergebnis führen. Dies ist nicht der Fall, wenn der bei einem nichtigen Vertrag bestehende Rechtsschutz (cic, §§ 812 ff. BGB) die berechtigten Interessen der schutzbedürftigen Partei ausreichend sichert.
5. Fallgruppen:
Arglist
Hat eine Partei die andere von der Wahrung der Form abgehalten, um sich später auf den Formmangel zu berufen, so ist der Vertrag als gültig anzusehen.
Schwere Treuepflichtverletzung
Lies dazu Palandt-Heinrichs RN 23, 24.
Existenzgefährdung
Der Formmangel tritt auch dann gem. § 242 BGB zurück, wenn die Rückabwicklung des Vertrags dazu führen würde, dass die wirtschaftliche Existenz einer Partei, die gutgläubig auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts vertraut hat, gefährdet oder vernichtet würde.
Höferecht
Lies dazu Palandt-Heinrichs aaO. RN 26
Formmangel außerhalb des Anwendungsbereiches des § 311b Abs. 1 BGB
Ist nicht § 311b Abs. 1 BGB, sondern eine andere Formvorschrift verletzt, tritt der Formmangel uU schon dann zurück, wenn die Parteien den Vertrag längere Zeit als gültig behandelt haben und der andere Teil daraus erhebliche Vorteile gezogen hat.
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