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Widerspruchsbescheid



Aufgaben:

1.) Ist in der VwGO eine bestimmte Form für den Widerspruchsbescheid vorgeschrieben?

2.) Welche Funktionen hat die Begründungspflicht des § 73 Abs. 3 VwGO?

3.) Ist die Widerspruchsbehörde bei ihrer Entscheidung an bestimmte Inhalte gebunden?

4.) Wie entscheidet die Widerspruchsbehörde bei unzulässigem, wie bei unbegründetem Widerspruch?

5.) Was gilt bei einem begründeten Widerspruch? Wonach ist zu unterscheiden?

6.) Wie geht die Widerspruchsbehörde vor, wenn sich der Widerspruch erledigt?

7.) Bis zu welchem Zeitpunkt ist eine Zurücknahme des Widerspruchs möglich? Was gilt dabei für die Form der Zurücknahme?



Lösungen:
1.) Nein, dies ist nicht der Fall. Die VwGO enthält bezüglich Form und Inhalt eines Widerspruchsbescheides nur unvollkommene Regelungen.
§ 73 III VwGO besagt lediglich, dass „der Widerspruchsbescheid zu begründen, mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen und zuzustellen ist.“
Da aber nur schriftliche Entscheidungen zugestellt werden können, muss der Widerspruchsbescheid - zwingend - schriftlich erlassen werden.

Darüber hinaus bestehen jedoch keine besonderen Anforderungen an die Form des Widerspruchsbescheides.
Es gelten die allgemeinen Formvorschriften zum Verwaltungsakt, d.h. der Widerspruchsbescheid muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten (§ 79 i.V.m. § 37 III VwVfG).
Auch eine ausdrückliche Bezeichnung als „Widerspruchsbescheid“ ist zur Formwahrung nicht erforderlich. Es muss für den betroffenen Bürger lediglich bei verständiger Würdigung nach Treu und Glauben erkennbar sein, dass es sich um eine Entscheidung über den von ihm eingelegten Widerspruch handelt.

2.) Die Begründungspflicht ermöglicht dem Betroffenen zu erkennen, von welchen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen die Behörden im konkreten Einzelfall ausgegangen ist und wie es um die Chancen von Rechtsmitteln gegen die Entscheidung bestellt ist.
Damit konkretisiert die Begründungspflicht des § 73 III VwGO eine aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 19 IV, 20 IV, 28 I GG) und den ggf. im Einzelfall betroffenen Grundrechten folgende Verpflichtung:
Dem Bürger, in dessen Rechte die Verwaltung eingreift, steht ein Anspruch darauf zu, die für das Eingreifen maßgeblichen Gründe zu erfahren, weil er nur dann seine Rechte sachgemäß verteidigen kann.
Darüber hinaus wird die Behörde durch den Zwang zur Begründung verpflichtet, sich selbst über die getroffene Entscheidung und die für sie maßgeblichen Gesichtspunkte Rechenschaft abzulegen. Die Begründungspflicht des § 73 III VwGO trägt damit auch zur Selbstkontrolle der Verwaltung bei.
Letztlich versetzt eine ordnungsgemäße Begründung des Widerspruchsbescheides das (eventuell) angerufene Verwaltungsgericht in die Lage, die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes anhand der maßgeblichen Erwägungen der Widerspruchsbehörde zu überprüfen.

3.) Nein, die Widerspruchsbehörde ist bei ihrer Entscheidung nicht auf bestimmte Inhalte festgelegt.
Sie kann – soweit ihre Zuständigkeit und Sachherrschaft reichen – den angefochtenen Verwaltungsakt aufheben, ergänzen oder unverändert bestehen lassen.
Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung kann sie den Verwaltungsakt sogar zu Lasten des Widerspruchsführers „verbösern“ (sog. reformatio in peius).
Eine Einschränkung ergibt sich insoweit in den sog. Selbstverwaltungsangelegenheiten:
Bei einer Trennung von Widerspruchs- und Ausgangsbehörde (= keine Identität) ist die Widerspruchsbehörde auf eine reine Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt.

Die Widerspruchsbehörde ist bei ihrer Entscheidung auch nicht an die Begründung des Widerspruchs durch den Widerspruchsführer und nicht an die für den Erlass des angefochtenen Verwaltungsaktes maßgeblichen Gründe (der Ausgangsbehörde) gebunden.
Sie kann im Rahmen ihrer Kompetenz vielmehr den Verwaltungsakt auch mit anderen Gründen, als sie die Ausgangsbehörde angenommen hat, bestätigen bzw. aufheben.

4.) Bei einem unzulässigen (z.B. verfristeten oder unstatthaften) Widerspruch ist dieser durch Widerspruchsbescheid zurückzuweisen.
Gleiches gilt bei einem zulässigen, aber unbegründeten Widerspruch.

5.) Hinsichtlich der Entscheidung der Widerspruchsbehörde bei begründetem Widerspruch ist zu unterscheiden zwischen einem Anfechtungswiderspruch und einem Verpflichtungswiderspruch.
Handelt es sich um einen Anfechtungswiderspruch, so gilt:
Ist der belastende Verwaltungsakt rechtswidrig und der Widerspruchsführer in seinen (subjektiven) Rechten verletzt, so hebt die Widerspruchsbehörde den Verwaltungsakt – je nach Umfang der Rechtswidrigkeit – ganz oder teilweise auf.
Liegt dagegen ein – begründeter – Verpflichtungswiderspruch vor, sollte die Widerspruchsbehörde den Versagungsbescheid der Ausgangsbehörde zunächst aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit aufheben.
Darüber hinaus ist umstritten, ob die Widerspruchsbehörde den beantragten Verwaltungsakt selbst erlassen kann oder darauf beschränkt ist, die Ausgangsbehörde zum Erlass des Verwaltungsaktes zu verpflichten. Nach herrschender Meinung in der Literatur ist dies der Fall.
Begründet wird dies damit, dass der Widerspruchsbehörde aufgrund des Devolutiveffektes des Widerspruchs eine umfassende Entscheidungskompetenz zukommt.
Der Devolutiveffekt bewirkt nach herrschender Meinung, dass die Sachbefugnis der Ausgangsbehörde in vollem Umfang auf die Widerspruchsbehörde übergeht, d.h. die Widerspruchsbehörde ist zu den gleichen Maßnahmen wie die Ausgangsbehörde befugt.

6.) Erledigt sich der Widerspruch durch Zurücknahme des Widerspruchs oder auf andere Weise, ist das Widerspruchsverfahren einzustellen.
Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit empfiehlt es sich, dies im Tenor eindeutig festzustellen.

7.) Da die VwGO diesbezüglich keine Regelung enthält, gilt der allgemeine verfahrensrechtliche Grundsatz, dass ein Rechtsbehelf solange zurückgenommen werden kann, wie noch nicht über ihn entschieden worden ist.
Die Berechtigung zur Zurücknahme des Widerspruchs endet daher mit Erlass des Widerspruchsbescheides.

Was die Form der Zurücknahme anbelangt, gilt:
Die Zurücknahme des Widerspruchs kann nur ausdrücklich und nur in derselben Form (§ 70 VwGO) erklärt werden, die auch für die Einlegung des Widerspruchs zu beachten ist.



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